Vor etwas mehr als hundert Jahren begann die Pionierzeit der Schweizer Luftfahrt. Tollkühne Männer, fliegende Kisten, jeder Flug ein Rekord
Erster Alpenüberflug
1910 war ein besonders ereignisreiches Jahr. Geo Chavez, ein 23-jähriger französisch-peruanischer Pilot entschied, einen Alpenüberflug zu wagen. Er war erst seit Februar brevetiert, hatte aber mit Flügen auf 1650 Metern über Meer im August und 2700 im September bereits mehrere Höhenrekorde gebrochen.
Er startete am 23. September in Ried-Brig und flog über den Simplonpass. “Was auch immer passiert, ich werde auf der anderen Seite der Alpen gefunden werden”, hatte er vor dem Start gesagt. Er schlug in Domodossola hart auf und kam ins Spital, wo er Gratulationen aus aller Welt entgegennehmen und ein letztes Interview geben konnte, bevor er aufgrund massiven Blutverlusts ein paar Tage später verstarb.
Brevet Nummer 1
Am 1. Oktober 1910 wurde das erste Schweizer Luftbrevet vergeben - an den 18-jährigen Ernest Failloubaz. Er war ein paar Tage vorher von Avenches nach Payerne geflogen, der erste Flug zwischen zwei Schweizer Städten.
Spektakuläre Flüge über Berg und Tal
Oskar Bider, ein 19-jähriger Baselländer, war insbesondere von Chavez’ Geschichte äusserst beeindruckt. Er entschied, Pilot zu werden - ein Traum, den er über mehrere Jahre mit sich trug, bis er Ende 1912 gegen den Willen seines Umfelds nach Frankreich reiste und die Pilotenausbildung machte. Er bekam das Schweizer Flugbrevet Nummer 32.
Im Januar 1913 überflog er als erster die Pyrenäen, und führte zwei Monate später den ersten Postflug der Schweiz von Basel nach Liestal durch. Sein grösstes Ziel war aber der Alpenüberflug. Er bereitete sich intensiv darauf vor, berechnete in Höhen- und Dauerflügen Treibstoffverbrauch und Steigfähigkeit seines Flugzeugs, und nahm mehrere Anläufe.
Am 13. Juli gelang ihm der 230 km lange Flug von Bern nach Mailand. Das Jungfraujoch war das höchste Hindernis gewesen - er hatte auf 3600 Meter ansteigen müssen und eine halbe Stunde lang um die letzten Hundert Meter gerungen. “Nie zuvor hat man eine ähnliche Leistung eines Aviatikers registriert”, schrieb die BZ.
Im selben Jahr flog er von Bern ohne Zwischenlandung in 4 Stunden 20 Minuten nach Paris, ein weiterer spektakulärer Rekord.
1919 stürzte er in Dübendorf ab, Tage bevor er die Tätigkeit für seine lange geplante Fluggesellschaft “Ad Astra” aufnehmen wollte. Es wird vermutet, dass er sich nach einem feuchtfröhlichen Abend zu unvorsichtigen Luftmanövern hinreissen liess.
Bider, Failloubaz und andere Schweizer Flugpioniere ebneten mit ihren individuellen Leistungen den Weg für die Schweizer Luftfahrt. Sie schufen neues, lebenswichtiges Wissen - unter Lebensgefahr. Das war Oskar Bider durchaus bewusst. Er schrieb 1918 in einem Brief an seine Tante: “Als ich 1913 meine grossen Flüge ausführte, habe ich wie die alten Eidgenossen gebetet. Ich habe dabei oft schlaflose Nächte verbracht.”