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4 x Cüpliwissen: die Netzwerktheorie

Der Homo Sapiens organisiert sich in Netzwerken. Er greift auf Artgenossen zurück, um sich zu schützen, sich zu unterhalten und zu informieren. Wahr in der Steinzeit und wahr auch heute - unser Bezug zur Sippe, zu Freunden und Feinden halten uns am Leben.

 

 

No man is an island

Entire of itself

Every man is a piece of the continent

A part of the main

- John Donne, 1624

 


1) Ein Bier kann die Firma verändern

Der amerikanische Soziologe Harrison C. White begründete die empirische Netzwerkforschung in den 70er Jahren. Die zentrale Idee: Menschen tauschen Wissen durch Beziehungen aus. Diese lassen sich mit Netzwerken darstellen, die sich ständig weiterentwickeln. Ein Beispiel: zwei Angestellte unterschiedlicher Abteilungen einer Firma treffen sich zum Feierabendbier. Aus einem werden zwei - und aus Kollegen Kumpels. Am nächsten Tag erinnert sich Kollege A daran, was Kollege B über X gesagt hat, und Kollege B holt sich bei Kollege A Hilfe in Sachen Y. Ihre Beziehung ist stärker geworden, und automatisch geben sie einander weiter, was sie wissen. Das Netzwerk der Firma hat sich also innert eines Abends verändert.

2) Knoten und Kanten regieren die Welt

Solche Netzwerke lassen sich ganz einfach bildlich darstellen. Sie haben kein Zentrum, und bestehen aus Knoten und Kanten. Knoten sind Menschen, Kanten sind die Beziehungen, die sie zueinander führen, und je stärker die Kanten, desto besser die Beziehung.

Je mehr starke Kanten ein Knoten hat, je mehr gute Beziehungen innerhalb des Netzwerks ein Mensch also pflegt, umso wichtiger ist er für das Netzwerk. Und natürlich ist jeder Mensch Teil vieler Netzwerke: im Arbeitsleben, in der Freizeit, in der Familie.

 

3) Auch der Drucker gehört zum Netzwerk - und Siri

Richtig spannend wurde es in den 80er Jahren, als Soziologe Bruno Latour und Kollegen vorschlugen, die Idee der Netzwerke auszuweiten. Nichts finde ausserhalb von Netzwerken statt - Bezüge zu Objekten, zu Tieren, aber auch zu Ideen oder Prozessen müssten ebenfalls berücksichtigt werden. Menschen und "non-human actors" als gleichberechtigte Knoten im Netzwerk also. Diese Theorie, die "Actor-Network Theory", kommt bereits in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen als Denkhilfe zum Einsatz. Je präsenter künstliche Intelligenz in unserem Alltag wird, umso nützlicher wird das Modell auch für Otto (oder Alexa) NormalverbraucherIn.

 

4) Facebook ist kein soziales Netzwerk

Facebook&Co. haben soziale Netzwerke also weder erfunden, noch können sie streng genommen als solche bezeichnet werden. “Soziale Netzwerke sind eine sehr alte Form von sozialer Organisation”, sagt auch Netzwerktheoretiker Manuel Castells. Aber sie haben Instrumente geliefert, die unsere Vernetzungsmöglichkeiten potenzieren, und sie haben unsere Netzwerke geographischen Grenzen enthoben.